Natürlich weiss ich als an Geschichte interessierte Person ein wenig über die Rosenkriege in England: Zwei Adelshäuser, die rote und die weisse Rose, viele Schlachten und am Ende beginnt die Zeit der Tudors. Aus meiner mitteleuropäischen Sicht hatte ich diese Rosenkriege bisher für eine sehr innerenglische Angelegenheit gehalten, welche die Liste der englischen Könige um einige Namen verlängert hatte, die mich aber nicht speziell interessierte.
Dies änderte sich, als ich eher zufällig "Stormbird" den ersten Band von Conn Igguldens historischem Roman zu den Rosenkriegen las: Im Jahr 1437 besteigt König Heinrich der VI aus dem Hause Lancaster den englischen Thron, der Sohn des Kriegerkönigs Heinrich V, welcher die Franzosen bei Agincourt besiegt hatte. Der junge König ist im Gegensatz zu seinem Vater äusserst willensschwach und weltfremd. Zu dieser Zeit betrachten sich die englischen Könige auch als rechtmässige Herrscher von Frankreich und deswegen stehen England und Frankreich seit 100 Jahren im Krieg. Seit dem Tod von Heinrich V im Jahr1422 sind die Engländer auf dem Rückzug und die Franzosen sind drauf und dran, die einst weit reichende englische Herrschaft in Frankreich vollständig zurück zu erobern.
In dieser aussenpolitisch kritischen Situation bekommt England einen schwachen König, und die eigentliche Macht wird von seinen wechselnden Beratern ausgeübt. Die einflussreichste Person im Land ist zu dieser Zeit Richard, Herzog von York, selber von königlicher Abstammung. York kommt zum Schluss, dass Heinrich VI unfähig ist, das Land zu führen und plant den Sturz des Königs..
In diesem ersten und den drei folgenden Bänden erzählt Iggulden die äusserst wechselhafte Geschichte des Konflikts zwischen den beiden Adelsgeschlechtern von Lancaster und York, in welchen nach und nach alle grossen Familien des Landes hineingezogen werden. Dass die Geschichte nicht eine rein englische Angelegenheit bleibt, dafür sorgt der König von Frankreich und sogar der uns Schweizern bestens bekannte Herzog Karl von Burgund, "der Kühne" spielt eine Rolle in diesem Konflikt. Iggulden hält sich eng an die historischen Tatsachen: Jeder Band enthält eine Karte mit den Schauplätzen, eine lange Liste der Personen und die Stammbäume der wichtigen Adelsfamilien. Diese Hilfsmittel sind nützlich, denn die Geschehnisse sind verwickelt und vielschichtig. Ich habe mehr als einmal die Stammbäume konsultiert, um mir die Verwandtschaften und Loyalitäten zwischen den Familien in Erinnerung zu rufen.
Bei aller Komplexität der Geschehnisse wird die Geschichte extrem spannend erzählt. Iggulden gelingt es, die Absichten und Handlungen der Personen verständlich und plausibel darzustellen. Mehr noch: Es gibt nicht "gute" oder "schlechte" Personen oder Familien. Die Ziele, Pläne und Handlungen sind - wenn auch nicht immer ehrenhaft - doch meistens aus der Situation verständlich und nachvollziehbar. So geschah es mir, dass meine Sympathien bei der Lektüre häufig zwischen den beiden Seiten wechselte: Fand ich die Yorks zu Beginn machtgeil und zynisch, so litt ich später mit Edward IV, als er seine Herrschaft verteidigen musste. Warwick erschien mir zuerst als reiner Opportunist, später wünschte ich mir, er hätte mehr militärisches Geschick bewiesen. Sogar die fiktive Person des Geheimagenten Derry Brewer ist nicht nur skrupellos, sondern beweist menschliche Nähe zum einsamen und kranken Heinrich VI.
Der Schluss der Tetralogie mit dem dramatischen Aufstieg von Richard III, seinem tragischen Ende und das Erscheinen von Heinrich VII, dem ersten Tudorkönig, ist schlicht grandios!
Die Bücher enthalten zahlreiche weitere, äusserst interessante Persönlichkeiten - nicht zuletzt die Königinnen - für die ich in diesem kurzen Text keinen Platz gefunden habe. Ebenso werden die grossen Schlachten ausführlich beschrieben, die Geschehnisse auf dem Feld ebenso, wie Taktik und Verlauf.
Ich habe einen Teil deutsch, einen Teil englisch gelesen: Der englische Text war - unter gelegentlichem Nachschlagen - gut verständlich, der deutsche Text aus meiner Sicht gut übersetzt.
Die vier Bände der Rosenkriege oder Wars of the Roses von Conn Iggulden sind absolut empfehlenswert!
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